Ein Gastbeitrag von Ulrike Weiß
Der folgende Text ist mein persönlicher Versuch zu verstehen, was in Menschen vorgeht, wenn sie in eine Krisensituation geraten bzw. vor grundlegenden Veränderungen stehen.
Wie verarbeiten Menschen Krisensituationen?
Einen möglichen Einblick in die Psyche der Menschen bietet das sogenannte Kübler-Ross-Modell der fünf Phasen der Trauer. Dies stammt aus den späten 1960er Jahren und wurde von der schweizerisch-amerikanischen Psychiaterin Dr. Elisabeth Kübler-Ross erdacht. Bei ihrer Arbeit mit sterbenden Menschen und den Hinterbliebenen erkannte sie, dass im Allgemeinen alle Menschen in ihrer Trauerarbeit fünf Phasen durchleben, die über die Zeit mit verschiedenen Stimmungen einhergehen.
Die fünf Phasen sind 1. Weigerung/Leugnen, 2. Wut, 3. Verhandeln, 4. Depression und 5. Akzeptanz.
Über die Jahre wurde die Anwendung des ursprünglichen Modells ausgeweitet, weg vom Fokus der Trauerarbeit und je nach Kontext leicht verändert. Heute wird das Modell auch als Veränderungsmodell bezeichnet. Die verschiedenen Phasen müssen nicht in der genannten Reihenfolge stattfinden. Sie können sich wiederholen oder auch übersprungen werden und sind zeitlich nicht begrenzt.
Die Kernaussage ist jedoch nach wie vor, dass der Mensch bei der Konfrontation mit Veränderungen, die mehr oder weniger stark empfunden werden, über die Zeit verschiedenen Stimmungen und Gemütszuständen ausgesetzt ist.
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass wir nur noch im Krisenmodus zu leben scheinen: Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Coronakrise, Krieg in der Ukraine, Energiekrise, Inflation. In immer kürzeren Abständen reißt uns der Schock im Angesicht einer neuen Krise aus unserem alltäglichen Leben.
Mit der Weigerung/Verleugnung versuchen wir noch eine Weile zu widerstehen und weigern uns, uns auf die neue Situation einstellen zu müssen. Trotzdem sinkt die Stimmung. Viele haben sich zum Beispiel zu Beginn der Coronakrise bestimmt an die Panikmache bei der Schweinegrippe 2009/2010 erinnert gefühlt und waren davon überzeugt, dass sich so etwas nicht wiederholen kann. Oder wir versuchen, die sogenannte Energiekrise zu verleugnen, indem wir weniger heizen und hoffen, dass unsere Regierung Maßnahmen ergreift, die unsere Energie-, Heiz-und Stromkosten wieder sinken lassen werden.
In der Phase der Wut/Frustration sinkt die Stimmung weiter. Wir merken, dass DAS (was immer es sein mag) nicht so ohne weiteres wieder verschwindet (Stichwort Neue Normalität). Wir können es nicht mehr ignorieren. Unsere Regierung macht vieles falsch im Augenblick und wir sind zum Beispiel fassungslos, dass das Heizungsgesetz tatsächlich verabschiedet wurde.
Der Nutzen für den Klimaschutz (um den es ja angeblich geht) ist laut Sachverständigen minimal, bei einer extremen finanziellen Belastung für die Bevölkerung. Wir können nicht verstehen, dass fachrelevante oppositionelle Meinungen nicht mehr gehört werden und dass die Lebensprobleme der Bevölkerung nicht ausreichend in der Regierungsarbeit widergespiegelt werden.
Verhandeln: Die Verhandeln-Phase ist geprägt von der kontinuierlichen inneren Weigerung, sich mit den Gegebenheiten abzufinden. Mit Verhandeln ist nicht das tatsächliche Verhandeln mit Menschen gemeint, sondern das „Kopfkino“. Zum Beispiel mit Sätzen wie: „Wenn ich doch nur dies oder jenes gemacht/nicht gemacht hätte…“. „Wenn doch nur die Situation eine andere wäre, würde ich dies oder jenes tun…“.
In der Depression ist die Stimmung/Gemütslage an ihrem Tiefpunkt angelangt.
Akzeptanz/Einbindung: In dieser Phase verbessert sich die Gemütsverfassung. Wir kommen wieder aus der Phase der Depression, indem wir uns Gedanken machen, wie wir für uns die Situation verbessern oder lösen könnten. Und wir entscheiden uns dann auch tatsächlich aktiv zu werden und etwas Entsprechendes zu tun.
Diese letzte Phase bedeutet nicht, dass man resigniert und die gegebene Situation, so wie sie ist, akzeptiert. Es bedeutet viel mehr, dass man akzeptiert, dass es diese neue Situation gibt und diese zu lösen versucht. Selbstverständlich steigen dadurch die Gemütslage und Stimmung wieder an und man fühlt sich (in der Theorie) wieder wie vor der Krise bzw. dem Schock.
Es gibt sehr viele Wege, auf die Herausforderungen unserer Zeit zu reagieren. Das Wichtigste scheint mir dabei zu sein, dass man sich nach der Phase des Schocks und der Depression aufrafft (hoffentlich aufraffen kann), für sich persönlich eine Art und Weise zu finden, wie man für sich und seine Familie das Beste aus den Gegebenheiten machen kann. So haben sich z.B. lt. Statista im Jahr 2022 1.203.683 Menschen dazu entschieden, aus Deutschland auszuwandern. Manche Menschen reagieren auf die Krisen der Zeit so, dass sie sich mit anderen Menschen umgeben wollen als vor der Krise und sich nun neu vernetzen. Zum Beispiel wurden seit 2020 viele neue Vereine und Parteien gegründet.
Für mich persönlich ist auch wichtig, dass wir darauf achten, dass unseren Kindern oder Enkelkindern eine gute Bildung zuteil wird. Bildung und Gesundheit sind zentrale Themen, wie wir uns selbst guttun können. Dazu gehört ebenso, dass man auf eine gesunde Ernährung achtet, Sport treibt, sich viel in der frischen Luft bewegt. Vielleicht das Handy auch mal zur Seite legt. Und sich mit Menschen umgibt, die einem guttun und die es gut mit einem meinen.