Ein Gastbeitrag von Christa Hüther
Ğ1 oder June (franz., sprich: schün) ist eine digitale freie Währung, erfunden von Stéphane Laborde, der als Grundlage für sein Währungssystem das Buch „Relativitätstheorie des Geldes“ geschrieben hat. Leider gibt es das nur auf Französisch und ich spreche kein Französisch.
Ğ1 ist dezentralisiert, gleichberechtigt, international, nicht mit dem aktuellen Finanzsystem verbunden, ein Weg sich von den Banken zu emanzipieren, eine Währung gemacht von Menschen für Menschen: www.monnaie-libre.fr oder www.infojune.fr/en/. Das sagt das System über sich selbst.
In Frankreich und Spanien gibt es bereits viele „Junisten“ und regelmäßig stattfindende Märkte.
Aber auch in Belgien, Österreich, Luxemburg, Schweiz, Portugal und nun auch in Deutschland wenden sich Menschen dieser Währung zu und betreiben Handel untereinander.
Ğ1 ist Freigeld – eine Währung, die anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegt als gesetzliche Zahlungsmittel.
Da gibt es eine einkalkulierte Inflation, einen Verfall des Geldes, was dazu führt, dass die Motivation groß ist, das Geld nicht zu horten, sondern schnell wieder umzusetzen.
Der Film „Das Wunder von Wörgl“ handelt von einer ähnlichen Art Freigeld.
Mein Schwager, der Ğ1 auf Mallorca kennengelernt hatte, erzählte mir davon. Er sagte, Deutschland habe nun auch gestartet mit einem ersten regelmäßigen Markt in der Nähe von Stuttgart, und dass da jeder willkommen sei mitzumachen. Das wollte ich sehen.
Mehr über Ğ1 zu erfahren ist nicht leicht, da das ganze Projekt in Frankreich entwickelt und dokumentiert wurde. Die verwendete Software ist Open-Source – jeder kann mitmachen – und sie benützt die Blockchain-Technologie, was dazu beiträgt, dass Transaktionen nicht manipulierbar sind. Deutschland geht gerade erst an den Start mit ausschließlich Freiwilligen, wie üblich. Deshalb gibt es bisher nur ganz wenig Dokumentation auf Deutsch. Wer das System verstehen will, muss sich die Informationen zusammensuchen – im sogenannten Netzwerk des Vertrauens, welches die Basis des Systems bildet. Man zertifiziert sich gegenseitig nach ausgesuchten Regeln. Dafür erforderlich ist, dass man sich persönlich gut kennt.
Als Gast kann ich jederzeit ein Konto eröffnen und bekomme ein Startgeschenk von 50 Ğ1, um auf einem Markt mal mitmachen zu können.
Wenn ich zertifiziert bin, bekomme ich eine tägliche sogenannte Universelle Dividende ausgeschüttet, die berechnet wird auf Basis der sich im Umlauf befindenden Ğ1- Geldmenge, der Anzahl der Mitglieder und der durchschnittlichen Lebenserwartung. Aktuell liegt diese Dividende bei ca. 10 Ğ1 pro Tag.
Von Währungssystemen habe ich wenig bis gar keine Ahnung. Wie das Ğ1-System genau funktioniert, habe ich noch nicht verstanden. Ich wollte es erleben und bin mit selbst gemachtem Kuchen dorthin gefahren, um selbigen für Ğ1 zu verkaufen. Es gab ein sehr umfangreiches Angebot: Weihnachtsartikel, allerlei kulinarische Leckereien, Gemüse aus dem Hausgarten, Pflanzen, Kräuter und Tees, Naturheilmittel, Filzpuschen und Holzprodukte bis hin zu Second-Hand-Artikeln und Ferienwohnungen. Das war eine spannende Angelegenheit. Wieviel ist ein Ğ1 wert? Wieviel Ğ1 will ich für ein Stück Kuchen haben? Es gibt keinen Wechselkurs. Der Preis will gefunden werden. Also kommt man sofort miteinander ins Gespräch.
Es war sehr schön, jede Menge sehr freundliche, aufgewachte, gut informierte und wahrheitssuchende Menschen kennen zu lernen. Die Preisfindung ist für alle Anbieter ein Thema. Einige haben Erfahrung in anderen Ländern gesammelt und geben diese weiter an Neulinge wie mich. Mein Resümee am Ende der Veranstaltung: ich war viel zu billig… Aber nach dem Markt ist vor dem Markt, und ich freue mich auf das nächste Mal!
Transaktionen werden üblicherweise direkt über eine App auf dem Smartphone getätigt.
Auf diesem Markt wurden die 50 Start-Ğ1 in Form von Papierbons in 5er Einheiten ausgegeben, die dann rege von einem zum anderen wanderten.
Mit Ğ1 bietet sich eine wunderbare Gelegenheit sich zu vernetzen, sowohl regional als auch international. Die Menschen kommen miteinander ins Gespräch und lernen sich kennen.
Man bietet sich gegenseitig Waren und Dienstleistungen an. Man fängt an sich zu überlegen, was man selbst anbieten könnte, wie man seine Talente und Begabungen einbringen kann. Käufer und Verkäufer entwickeln Vertrauen zueinander.
Man kennt sich, man trifft sich immer wieder, man hat einen Ruf zu verlieren. Es gibt auch einige Online-Portale, im Moment hauptsächlich in Frankreich und Spanien.
Vielleicht ist es ja möglich, im Raum CR/SHA einen regelmäßigen Ğ1-Markt zu erschaffen. Vielleicht ist es sogar möglich, Bauern dafür zu begeistern. Alles, was es dazu braucht, sind ein paar Interessierte und eine private Location. Fühlst Du Dich angesprochen? Dann melde Dich doch bitte bei der Redaktion.