Rückblick einer Krankenschwester auf die einrichtungsbezogene Impfpflicht

Krnakenschwester
Bild: Freepik Premium

Ein Gastbeitrag

Ich schaue in den Spiegel. Ich bin jetzt 48 Jahre alt geworden. Ich glaube, in zwei Jahren werde ich mich nicht wiedererkennen. Man wird schnell alt in dieser Zeit.

In den nächsten Tagen wird mich die Kündigung erreichen. Die Kündigung eines unbefristeten und eigentlich unkündbaren Arbeitsvertrags, den ich 1994 unterschrieben habe. Während meiner Arbeit habe ich viele Gespräche mit Menschen geführt. Oft waren es Menschen, die seelisch in eine Sackgasse geraten waren, sie waren verbittert, hatten sich zurückgezogen… Ich habe ihnen Mut gemacht, wieder auf Menschen zuzugehen, wieder zu vertrauen und sich zu öffnen…

Heute bräuchte ich selbst eine solche Anleitung. Ich habe ein Verbrechen begangen, das bis vor kurzem noch keines war. Ich habe mich entschieden, mir keinen bedingt zugelassenen „Impfstoff“ verabreichen zu lassen. Nun wird mir von allen Seiten ins Gesicht gespuckt.

So begannen vor ziemlich einem Jahr die Zeilen, die ich mir in meiner Ohnmacht von der Seele schreiben musste. Wir waren eingekesselt vor einem Jahr. Er gab keinen Ausweg. Alles geschah ganz schnell. Betretungsverbote und Aussetzen der Gehaltszahlungen sollten innerhalb kürzester Zeit umgesetzt werden. Unsere Welt war von heute auf morgen eine andere… die Sicherheit, morgen noch in Lohn und Brot zu stehen, war plötzlich weggebrochen. Es war ein Schock.

Viele Kolleginnen auf anderen Stationen knickten aufgrund des unvorstellbaren Druckes ein. Eine junge Kollegin brach weinend zusammen, ließ sich impfen und wurde am Tag darauf mit einer Beinvenenthrombose notfallmäßig in die Neurologie gebracht. Der Fall verhallte… er wurde einfach nicht zur Kenntnis genommen.

Ich weiß noch, wie ich mich im Winter während des Lockdowns heimlich mit ungeimpften Kolleginnen traf… an einem geheimen Ort, auf Schleichwegen kommend. Und dann saßen wir voreinander: verweint, fassungslos und versuchten uns Mut und Hoffnung zu spenden.

Eine gute Strategie war, von Tag zu Tag „auf Sicht zu fahren“ – dem Druck wenigstens diesen einen Tag noch standzuhalten. Impfen lassen kann man sich ja jederzeit.

Ein Workshop im Schröpfen wurde geplant. Wir schmiedeten Pläne, wie wir uns gegenseitig zum Impfbus begleiten könnten, um uns die injizierte Brühe wenige Minuten danach wieder heimlich „abzuschröpfen“. Wir fühlten uns wie gefangene Tiere, die in dem Käfig verzweifelt gegen die Gitter sprangen.
Es war eine Zeit, in der man morgens nicht mehr aufwachen wollte, denn das Erste, was einen erwartete, war die Schlinge der Angst um den Hals.

Als die ersten ungeimpften Kollegen Corona bekamen, dauerte es nicht lange und wir holten uns über bewusste Ansteckung das ersehnte Genesenenzertifikat.

Bei meinem ersten Ansteckungsversuch bekam ich das kontaminierte Wattestäbchen und die vollgehustete Maske noch verschämt in einem Briefumschlag durch einen Türspalt gereicht und ich musste erfahren, dass es als gesunder Mensch gar nicht so leicht war, sich mit dem brandgefährlichen Virus anzustecken. Meine PCR Testungen blieben negativ und ich kerngesund.

Beim nächsten Versuch ließ ich mich nicht lumpen und besuchte gleich eine ganze Familie, die zuhause mit Husten und Fieber in Quarantäne saß. An diesem Abend ließ ich mich nicht nur von meiner guten Bekannten, sondern auch gleich von ihrem Ehemann und ihren zwei Söhnen vollhusten und tauschte mit ihnen Wattestäbchen aus der Nase aus. Wir versuchten das Ganze mit Galgenhumor zu nehmen, versicherten uns, eines Tages mit Sekt auf diesen absurden Abend anzustoßen und im Nachhinein darüber zu lachen.

Aber eigentlich war uns gar nicht zum Lachen…
Was für eine Demütigung!

Was hatten sie nur aus uns gemacht …! Nach meiner Genesung nahm ich im Dezember letzten Jahres zum ersten Mal an den Spaziergängen teil. Es war für mich unheimlich bewegend, auf diese vielen freundlichen Gesichter ohne Maske zu treffen. Ich kannte zunächst niemanden und lief einfach alleine mit meiner Kerze mit. Aber ich war sehr froh, dass es dunkel war, denn die ersten Male liefen mir ununterbrochen die Tränen… Es war, als ob sich in meinem Inneren ein Knoten gelöst hätte.

Heute hat sich vieles verändert und wir fühlen uns stärker als je zuvor. Wir wissen: Wir haben Recht gehabt.

Im Stationsalltag sind wir umgeben von geimpften Kollegen, deren Immunsystem nicht mehr intakt ist. Wir sehen mögliche Impfschäden und haben massive Long Covid Fälle. Auch drei plötzliche, unerwartete Todesfälle unter Kollegen hat es vergangenen Winter in unserem Krankenhaus gegeben. Die Ergebnisse der Obduktionen werden wir wohl nie erfahren, aber es ist nun still geworden. Keiner drängt uns mehr zur Spritze.

Einer meiner Stationskollegen ist vor acht Wochen an Covid erkrankt und hat sich seither nie mehr erholt. Wenn er neben mir steht, atmet er schwer und bekommt kaum Luft. Es ist der gleiche Kollege, der vor seiner ersten Impfung zitterte, solch eine Angst hatte er vor unerwarteten Nebenwirkungen. Es ist der gleiche Kollege, der ohne Mitleid war, als ich vor ihm letzten Winter in Tränen ausbrach. Es ist der gleiche Kollege, der an Herrn Lauterbach schrieb, man möge doch bitte die einrichtungsbezogene Impfpflicht mit voller Härte durchsetzen, er fühle sich sonst „verarscht“. Ich fühle keine Häme, wenn er kurzatmig vor mir steht. Er ist seit 20 Jahren mein Kollege.

Ich staune nur, was diese neue Zeit in zwei Jahren aus uns gemacht hat. Letztes Jahr war ich ganz klein und er war der Sieger dieser neuen Zeit. Heute fühle ich mich frei und gesund und er ist es nicht.