Wenn es für mich bei den derzeitigen Protesten der Bauern und aller anderen Bevölkerungsgruppen, die sich dem Protest angeschlossen haben, etwas gibt, das mich zutiefst begeistert, dann ist es, dass dieser Protest dazu geeignet ist, die tiefen Gräben unserer Gesellschaft zu überwinden.
Angeregt zu diesem Gedanken hat mich die Teilnahme am Mahnfeuer der Bauern in Rot am See, im Rahmen der Aktionswoche vom 08.01. bis zum 15.01. Dort habe ich etwas erlebt, was in früheren Zeiten tatsächlich ein vollkommen normales Ereignis war. Da traf sich die einheimische Bevölkerung (und natürlich weit mehr Menschen aus den umliegenden Nachbarortschaften) gemeinsam am Feuer. Es gab Würstchen, es gab was zu trinken und es gab ein großes Feuer, auf das eine Zugmaschine im Halbstundentakt 10 bis 15 Paletten warf, um es am Brennen zu halten.
Ansonsten gab es vor allem viele Begegnungen und Gespräche, Freude, Feiern und alles, was zu einem gelingenden Abend beiträgt. Es gab kein Unterhaltungsprogramm, es gab keine großen Reden, es gab niemand, der sich in den Vordergrund gespielt hat. Die Würstchen und Getränke gingen gegen Spende raus und alles geschah unter einer gemeinsamen Überschrift. Wie wunderbar.
Was ist aus unserer Gesellschaft geworden, in der es einen großen Protest über ganz Deutschland braucht, um ein solches Erlebnis wieder möglich zu machen? Ich habe mich an dem Abend gefragt, warum wir so etwas nicht mindestens zweimal im Jahr machen, und zwar unter den gleichen Vorzeichen. Dazu braucht es nicht unbedingt einen großen Anlass. Und so stand an diesem Abend in Rot am See viel mehr das Gefühl und Erlebnis von Gemeinschaft im Vordergrund, als der Protest gegen alle möglichen bizarren Pläne der Regierung und Eliten von Absurdistan.
Wieder haben die Regierung, die Medien und die Eliten mit ihrem Handeln nicht nur das Gegenteil von dem bewirkt, was sie wollten. Sie haben es geschafft, Menschen in Verbindung zu bringen, die bis vor ein paar Monaten sich eher skeptisch gegenüber standen. Doch nun kommen diese Menschen zusammen und erkennen, dass sie ein gemeinsames Anliegen haben: Ein Leben in Freiheit und Würde, selbstbestimmt und eigenverantwortlich. Und es sind die Bauern, die die Menschen hierzulande zusammenbringen und das nicht umsonst. Es sind die Bauern, die in jeder Gesellschaft auf diesem Planeten tief verwurzelt sind mit dem Land und mit den Menschen. Sie genießen ein hohes Vertrauen, und den allermeisten Menschen ist bewusst, in welcher positiven Abhängigkeit sie von diesen Landwirten stehen. Und deshalb hören die Menschen zu und schauen hin, wenn die Bauern in solcher Masse auf die Straße drängen und auf Dinge aufmerksam machen, die schon lange im Argen sind. Und gleichzeitig öffnen die Bauern vielen Menschen den Weg, sich zu trauen, sich endlich offen zu zeigen als jemand, der alles andere als zufrieden mit den Zuständen in diesem Land ist.
Zu sehen, wie überall im Land Trecker-Kolonnen Straßen, Logistikzentren, Minister oder einfach ganze Städte lahmlegen, macht nicht nur Eindruck, sondern vor allem Mut es selber zu tun. Der Aufkleber „Ich identifiziere mich als Trecker“ auf manchem Auto spricht da Bände.
Und so hat dieser Protest jeden Rahmen gesprengt, einfach nur Protest gegen ein oder zwei Maßnahmen gegen die Landwirtschaft in Deutschland zu sein. Dieser Protest ist mittlerweile ein Massenprotest gegen so Vieles, was dieses Land ruiniert, vor die Wand fährt und den Menschen das Leben zur Hölle macht. Und natürlich stellt sich bei der Masse an Problemen auf so vielen Ebenen die Frage, ob es nicht endlich reicht mit einem System, das all diesen Wahnsinn nicht nur ermöglicht, sondern sogar fördert. Natürlich wird es Zeit, über ein System nachzudenken und sich öffentlich zu äußern, das den Menschen dient und nicht Einzelinteressen.
Das alles haben die Bauern mit ihrem Protest möglich gemacht und das feiere und wertschätze ich.