Haben Sie schon mal etwas von Ingroup/Outgroup Effekten gehört? Noch nicht? Kein Wunder. Die damit zusammenhängenden Phänomene sind wenig bekannt. Sie gehören in den Bereich der Soziologie, der Disziplin also, die sich mit dem Verhalten von Menschen in Gruppen und Gesellschaften beschäftigt. Ingroup ist die Gruppe, zu der sich jemand zugehörig fühlt. Outgroup ist die Gruppe der Menschen, die nicht dazu gehören. Es geht also um das „Wir“ und das „Die“ oder „die Anderen“. Ein Phänomen, das dabei besonders hervorsticht, ist der Ingroup/Outgroup Homogenitäts-/Heterogenitätseffekt (ja, ein sperriger Name).
Der Effekt beschreibt, dass die eigene Gruppe von den Betreffenden als heterogen (vielschichtig, unterschiedlich) empfunden wird. Die Gruppe der anderen hingegen wird als homogen gesehen (also gleichförmig). Das Phänomen hängt überhaupt nicht an den jeweiligen (vermeintlich) sachlichen Inhalten, die eine Gruppe beschreiben. Vielmehr leiden alle Menschen darunter und nur ein hohes Maß an Selbstreflexion schützt halbwegs davor. Im Umgekehrten lässt sich am Maß der Zuschreibung von Homogenität gegenüber einer anderen Gruppe als der eigenen ablesen, wie unreflektiert jemand sein kann.
Solche Menschen lassen sich auf allen Seiten des politischen Zauns beobachten. Menschen aus dem links-alternativen Spektrum meinen, die Leute, die z.B. seit dreieinhalb Jahren gegen die verschiedensten Dinge Sturm laufen, seien alle rechts, Nazis, Verschwörungstheoretiker und ähnliches. Gleichzeitig glauben eben diese Menschen (die aus ganz unterschiedlichen Spektren kommen), dass die Gegenseite alles „Linksgrünversiffte“ und „Kommunisten“ sind. Beide Seiten gestehen der jeweils anderen so wenig wie möglich Differenziertheit und nur ein geringes Spektrum an unterschiedlichsten Perspektiven zu.
Warum erzähle ich Ihnen hier davon? Weil ich Sie auf genau dieses Phänomen aufmerksam machen will, im Zusammenhang mit einem Artikel aus dem Hohenloher Tagblatt (HT) vom 12.12.2023. Überschrieben ist der Artikel mit „Wie ticken eigentlich Querdenker?“. In dem Artikel ist ein Bild zu sehen, das jemanden zeigt, der dort aussieht wie entweder auf einem Fahndungsfoto aus den Achtzigern oder eben ein Pornodarsteller (auch aus den Achtzigern). Und ja – um das vorweg zu nehmen – natürlich habe ich als Heranwachsender in den Achtzigern Pornos geschaut. Woher sonst sollte ich das wissen? Ich nehme mal an, dass im Nachhinein weder der Betroffene noch das HT mit dem Bild glücklich sind. Sei’s drum.
In dem besagten Artikel geht es darum, dass ein Journalist des HT einen Aktivisten der Antifa aus dem Raum Crailsheim/Schwäbisch Hall porträtiert und dessen krude Ansichten über die Protestbewegung hier vor Ort. Auf die Inhalte will ich gar nicht eingehen, denn die Aussagen des Porträtierten werde ich nicht damit aufwerten, dass ich mich auf der Inhaltsebene damit beschäftige.
Interessant ist, dass dieser Herr Tausendsassa, der laut dem Artikel fünf verschiedene Fächer studiert hat und als Psychologe arbeitet, sich selbst gegenüber so blind ist. Er hätte es im Studium eigentlich lernen müssen, dass auch er diesen Phänomenen unterliegt. Aber auch das ist weit verbreitet. Ich habe im Laufe meines Lebens schon eine gehörige Zahl von studierten Psychologen kennengelernt, deren Selbstreflexion asymptotisch gegen Null ging.
Auf jeden Fall scheint dieser Typ mit dem Pornodarstellerschnauzbärtchen uns Menschen aus der Protestbewegung als sehr homogen wahrzunehmen und versucht sich dann auch noch an psychologisierenden Diagnosen, die natürlich stark unter seiner sehr eingeengten Sicht leiden.
Lustig ist auch, dass der Porträtierte die Leute, über die er seine Schubladendenke ausschüttet, nicht im Geringsten kennt und das, was er sagt, lediglich vom Hörensagen zu wissen glaubt.
Prägnant ist dann, wenn der Porträtierte in den Jahren 2020 und folgenden besonders aufgefallen ist durch Hassbekundungen und destruktivem Potenzial im Rahmen von Demonstrationen in Crailsheim und Umgebung. Ja, da kam der feine Herr mit drei weiteren Unterstützern aus der örtlich sehr begrenzten Antifa-Szene. Und weil die vier unbedingt stören und die Demonstration verhindern wollten, dafür aber mit ihren vier lächerlichen Gesellen nicht genug Teilnehmer waren, haben sie die Demonstrationen aus ihrem VW Bus mit lauter Musik beschallt, so dass es schwer war, den Rednern zuzuhören. Sie haben dabei ihren Hass über die Demonstrationen ausgeschüttet und waren auch nicht bereit, mit den Demonstranten auch nur ein Wort zu reden, obwohl die Demonstranten zu ihnen kamen und das Gespräch angeboten haben.
Der in dem Artikel Porträtierte konnte dabei nicht mal den Blickkontakt für länger als 10 Sekunden halten. Das sagt viel. Selbstreflektierte Menschen, die ein erwachsenes Verhalten an den Tag legen, gehen auf andere Menschen zu und reden mit ihnen und glauben Sie mir: Ich kann mit jedem reden.
Der feine Herr Doktor aus dem Artikel könnte das auch, wenn er wollte. Nur ist er sich selbst gegenüber ebenso blind, dass er doch lieber auf uns und andere, die er nicht mag und/oder nicht versteht, schimpft. Und so wird er weiter gegen andere Menschen kämpfen, dabei nicht merken, dass er selbst zu dem wird, was er bekämpft und auch nicht merken, dass er selbst das Problem ist, das er bei anderen sieht (Stichwort „Pygmalion Effekt“). Schade – verschenktes Potenzial.