Halten Sie sich für tolerant? Haben Sie sich schon mal mit dem Thema beschäftigt? Egal auf welcher Seite des politisch-medialen Zauns Sie stehen – die meisten Menschen halten sich für tolerant. Sind sie das wirklich?
Ich stolpere seit geraumer Zeit immer wieder über diesen Satz „Keine Toleranz gegenüber Intoleranten“. Dieser Satz resultiert aus dem Popperschen Paradoxon über die Toleranz, laut dem die Toleranz gegenüber bestimmten Kräften, die er als intolerant bezeichnet, dazu geführt hat, ein zutiefst intolerantes Regime (die NSDAP) an die Macht zu bringen. Ja, auch große Gelehrte wie Popper machen Denkfehler und manövrieren sich selbst in eine Paradoxie, jenseits der eigenen Gedanken über eine solche. Dabei bemerken die Betroffenen nicht mal die Konsequenzen der eigenen Gedanken. Schauen wir bei Popper und all denen, die in der Folge diesen Satz „Keine Toleranz gegenüber Intoleranten“ gesagt haben, mal genauer hin.
In dem Moment, in dem ich selbst – noch dazu offen zugegeben – gegenüber irgendjemand intolerant bin, bin ich eben intolerant. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob sich meine eigene Intoleranz gegen diese oder jene Personengruppe richtet, oder ob ich der Ansicht bin, dass diese Intoleranz ja legitim ist. Es bleibt eine Intoleranz. Wenn ich also gegen irgendjemand intolerant bin, dann bin ich intolerant per Definition – da beißt die Maus keinen Faden ab.
Wenn es jetzt heißt, gegen Intolerante eben auch intolerant zu sein, dann müsste sich folgerichtig diese Intoleranz gegen Intolerante auch gegen mich selbst richten. Ich müsste mich, wenn ich diesen Satz für mich akzeptiere und ernst meine, selbst verurteilen und/oder sogar bekämpfen. Und im selben Moment müsste ich dann auch meine eigene Aussage „Keine Toleranz gegenüber Intoleranten“ bekämpfen, weil sie eine Aussage eines Intoleranten ist.
Und schon wird dieser eben noch als cool angenommene Blödsinn vor unseren Augen in einem schwarzen Loch verschwinden, um sich auf der anderen Seite der Galaxis wieder zu manifestieren.
Fazit: Manch einer verzapft einen solchen Blödsinn, dass es zum Himmel schreit. Und es schützt auch kein Intellekt davor, solcherlei Blödsinn in die Welt zu setzen.
Kommen wir dazu, was Toleranz überhaupt bedeutet. Abgeleitet ist Toleranz aus dem lateinischen „tolerare“, was übersetzt so viel bedeutet wie „ertragen, erleiden, erdulden“. Das wiederum beinhaltet einige echt spektakuläre Konsequenzen. Vor allem für all diejenigen, die sich selbst für tolerant halten und dabei bloß wohlfeile Parolen nachplappern, wenn es sie selbst nichts kostet – weder Geld, noch Energie, noch Ansehen. Wenn wir jedoch diese Übersetzung ernst nehmen, dann beinhaltet Toleranz zwangsläufig irgendeine Art von Gefühl des Unwohlseins. Toleranz bedeutet eben erleiden und das heißt, mit einfachen Worten ausgedrückt, „Wenn es nicht weh tut, ist es keine Toleranz“.
Bei Leuten, die einem egal sind und die Sachen sagen, die einem egal sind, vermeintlich tolerant zu sein, ist keine Kunst und das kann jeder. Nur hat das nichts mit Toleranz zu tun. Zu akzeptieren und gut damit umgehen zu können, wenn Leute anders sind, wenn sie zum eigenen Freundes- oder Bekanntenkreis gehören, ist ebenfalls keine Kunst und auch das kann jeder. Das nennt sich Sympathie. Sie grenzt sich gegenüber Empathie dahingehend ab, dass Empathie bedeutet, mit jedem mitfühlen zu können – auch mit denen, die man nicht mag. Und so ist es mit der Toleranz. Nur wenn es mir irgendeine Form von Schmerz bereitet, etwas zu akzeptieren und nicht dagegen anzugehen, handelt es sich um echte Toleranz. Alles andere ist billig und wohlfeil, stellt überhaupt keine besondere Kompetenz dar und kann auch getrost in die Tonne gedrückt werden, denn das braucht wirklich niemand.
Und noch viel weniger brauchen wir großspurige und vollmundige Verkündungen von Toleranz, die ja nur bestimmten Personengruppen gegenüber ausgeübt wird, verbunden mit solchem geistigen Dünnschiss wie „Keine Toleranz gegenüber Intoleranten“.