Es war eine vor dem Rathaus gehisste, tibetische Fahne, die eine Schwäbisch Haller Bürgerin dazu veranlasste, ihrem Oberbürgermeister einen Brief zu schreiben.
Darin bedankte sie sich für das Hissen der Fahne am 10. März, weil sie sich selbst sehr mit Tibet verbunden fühlt. Sie schrieb den Brief am 17. März und nutzte die Chance, ein weiteres Herzensthema von sich anzusprechen.
Immerhin betont Herr Bullinger regelmäßig, dass ihm Weltoffenheit, Vielfalt und Buntheit sehr wichtig sind. Deshalb enthielt der zweite Teil des Briefes eine Schilderung ihrer Eindrücke der vergangenen zwei Jahre Corona-Politik. Die Aushebelung der Grundrechte, das Leiden der Kinder, der Alten und der Kranken, die Nöte der Klein- und Kleinstunternehmer spricht sie ebenso an wie den Umgang der Medien mit dem Thema.
Auch auf den immer enger gesteckten Meinungskorridor geht die Verfasserin des Briefes ein und spricht damit allen maßnahmenkritischen Menschen aus dem Herzen, welche in den vergangenen Jahren übelste Diffamierungen über sich haben ergehen lassen müssen.
Am Ende ihres Briefes wird die Hallerin emotional und spricht Herr Bullinger direkt auf das von ihm geäußerte Selbstverständnis an, ein demokratischer Bürgermeister für alle Bürger zu sein.
Der Brief enthält weiterhin eine Auflistung unterschiedlichster Quellen mit der Bitte, sich selbst zu informieren.
Die Schreiberin beendet ihren Brief mit der Bitte, diesen auch an Landrat Bauer, sowie die anderen Stadträte weiterzugeben. Ebenso bittet sie Herrn Bullinger, die von ihr aufgelisteten Studien und Befunde zu widerlegen. Sie bittet ebenfalls um eine Antwort von Herr Bullinger und darum, ihre Unterlagen, inkl. dieser Antwort, an das Hällisch-Fränkische Museum zu übergeben. Dort würden solche Schriftsätze als Zeitdokumente aufbewahrt.
Am 30. März wird der Eingang des Briefes durch den persönlichen Referenten des Oberbürgermeisters bestätigt – der Bürgermeister habe das Anliegen zur Kenntnis genommen (Wir kommen später nochmal auf diese Aussage zurück).
Da eine Antwort auf sich warten ließ, nutzte sie am 28. April die Möglichkeit, beim Bürgergespräch mit Herr Bullinger persönlich zu sprechen. Dabei stellte sich heraus, dass Herr Bullinger von dem Brief nichts wusste – es ist zu befürchten, dass auf die, vom Referenten bestätigte Kenntnisnahme, keine weiteren Schritte folgten. Dem Wunsch, die Unterlagen an dem Tag gleich wieder mitzunehmen, konnte nicht nachgekommen werden. Die Papiere wurden nicht gefunden – es wurde aber zugesagt, diese in den darauffolgenden Tagen nachzusenden. Neben Herr Bullinger und einer Sekretärin nahm auch des Bürgermeisters Referent, Herr Domberg, Notiz von den Anliegen der Besucherin.
Die beim Treffen zugesagte Zusendung der Dokumente erfolgte nicht, andernfalls hätte die wehrhafte Bürgerin sich nicht genötigt gefühlt, am 12. Mai einen weiteren Brief zu schreiben. Diesmal an OB Bullinger und seinen persönlichen Referenten Herr Domberg*. In diesem Brief fasst sie das Geschehene nochmal zusammen und bittet ausdrücklich um eine Antwort sowie, die beim persönlichen Treffen* zugesagte, Zusendung der Unterlagen.
Ich verfasse diesen Artikel am 8 Juni – die Bürgerin wartet noch immer auf eine Antwort „Ihres“ Bürgermeisters.
Mit ziemlicher Sicherheit hat Herr Bullinger unglaublich viele Aufgaben und einen prall gefüllten Arbeitstag. Wie mit der engagierten Bürgerin umgegangen wird, zeugt von einem seltsamen Verständnis des Begriffs „Bürgermeister“.
Sicher kommt es nicht täglich vor, dass der OB persönlichen Besuch von den Bürgern erhält, deren Briefe er unbeantwortet lässt – seltsam dass er trotzdem keine Antwort für nötig erachtet.