Gastbeitrag von Michael Schele
Die Einen mögen sie, die Anderen unterschätzen sie. Die Wirkung politischer Autokorsos.
Gezielt umgesetzt erhöhen Auto-Korsos, neben den klassischen Demo-Formaten, die Reichweite, um kritische Themen und alter-native Meinungen breiter in die Öffentlichkeit zu transportieren.
Regional, um z.B. durch Lautsprecherdurchsagen die Anwohner zu einer innerörtlichen Demo oder Kundgebung einzuladen oder überregional, um eine größere Akzeptanz für allgemeine Themen in der Bevölkerung zu gewinnen.
Dabei ist die Teilnehmeranzahl eines Auto-Korsos weit weniger entscheidend als die Wirkung von Wenigen, wenn die politische Forderung klar und deutlich ankommt. Partymusik oder Hupen verwässern die Ernsthaftigkeit eines politischen Auto-Korsos oder können den ungewollten Eindruck erwecken, dass es sich um eine Hochzeitsgesellschaft handeln könnte, die zu ihrer Feier fährt. Etwas so Wichtiges, durchdacht „mit Spaß“ zu machen, hat eine andere Außendarstellung, als nur „zum Spaß“. Man sollte sich immer vor Augen halten, dass der zufällige Passant und Betrachter eines Auto-Korsos nur einen kurzen Augenblick hat, um zu erfassen, worum es bei dieser „Lärmbelästigung“ in seiner gut behüteten Wohnsiedlung geht.
Durch die Erfahrung vieler Auto-Korsos der letzten 2 Jahre hat sich gezeigt, dass nicht die Masse, sondern die Klasse den feinen Unterschied ausmachen kann. Einem kleineren Konvoi mit wenigen Fahrzeugen wird oft auch das Befahren von engen Straßen, Gassen oder manchmal auch Fußgängerzonen genehmigt, während spekta„cool“är größeren „Blechlawinen“, dies aus Sicherheitsgründen (Rettungswege) verwehrt bleibt.
Das dabei die Geschwindigkeit um 10 km/h eine gute Orientierung ist, ist allgemein bekannt. Auch hat sich in der Praxis bewährt, nicht zu viele Lautsprecherfahrzeuge einzusetzen, die sich akustisch überlagern können, was die Botschaft für die Zuhörer unverständlich machen kann. Ein Lautsprecherfahrzeug vorne, direkt hinter dem begleitenden Polizeifrontfahrzeug mit akustischen Botschaften, um eine erste Aufmerksamkeit zu erregen. Und ein weiteres Lautsprecherfahrzeug am Ende des Korsos, vor dem letzten Begleitmobil der Polizei zur Erhärtung der politischen Forderung.
Dazwischen alle anderen Teilnehmer, die ihre Fahrzeuge mit Botschaften, z.B. Friedenssymbolen auf Fahnen, Bannern, Schildern, Magnetschriftfolien und anderen Hilfsmitteln optisch verdeutlichen. Nur die Sicherheitsaspekte der Straßenverkehrsordnung beschränken die Teilnehmer in ihrer Kreativität.
Ein weiterer Vorteil von Auto-Korsos erschließt sich auch für ältere oder körperlich eingeschränkte Teilnehmer, die nicht in der Lage sind, bei langen Aufzügen mit- oder Schritt zu halten und dadurch die Möglichkeit haben, ihr Versammlungsgrundrecht dennoch ausübend wahrzunehmen. Der wärmende Vorteil in der nasskalten Winterzeit ist ein weiterer, den Protest an die Witterung anzupassen, um weiter aktiv zu sein. Der Kostenfaktor für Teilnehmer eines Auto-Korsos ist dabei nicht wesentlicher, als die Anreise zu einem Demo-Aufzug im „Nachbardorf“ mit evtl. Parkhauskosten. Ein direkter Wert oder Nutzen ist bei einem Auto-Korso genauso wenig messbar, wie die Wirkung der klassischen Demo-Formate.
Allein die Kontinuität und Vehemenz, „immer und überall“ mit dieser zusätzlichen Möglichkeit Menschen außerhalb der „Blase“ erreichen zu können, hat paralleles Protest-Potential, das „Tauziehen“ um die öffentliche Meinung mit zu entscheiden. Ein Informations-Multiplikator, der nicht unterschätzt werden sollte. Selbst Erst-Anmelder eines Auto-Korsos werden mit ein wenig Routine feststellen, dass „nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird“. Denn oftmals unabhängig von dem, was in einem Kooperationsgespräch besprochen wurde oder in der Versammlungsbestätigung schriftlich niedergelegt ist, was z.B. die Lautstärke von max. 90 dB betrifft, liegt es im Ermessensspielraum des Polizeieinsatzleiters, was wie wirklich vor Ort umgesetzt wird.
Ein freundlicher Umgang mit der Polizei ist schon Politik, weil auch die Uniformierten „unsere Mitmenschen“ sind, die wir irgendwann auf der Straße brauchen. Und mittlerweile wissen auch Viele, wer „die Guten“ sind. Insgesamt kann man zusammenfassen, dass Auto-Korsos in ihrem Aufwand einfacher, schneller und, auch mit weniger Teilnehmern, kostengünstiger umsetzbar sind, als größere Demo-„Events“ und durch gezielte Lautsprecherdurchsagen oder Live-Moderation, zunehmend mit der künstlerischen Freiheit der Satire, die Kompetenz politischer Entscheidungen und Entscheider in breiter Öffentlichkeit ihrer verdienten Lächerlichkeit zuzuführen.
So, wie das erfolgreiche Persiflieren der Affen-Pocken-Kampagne im Sommer ´22 sowohl für Demo-Teilnehmer als auch Passanten höchst amüsant war. Anstatt unsere positive Energie durch das Beklagen von vermeintlich fehlenden Teilnehmerzahlen auf Demos zu schwächen, sollten wir unsere Möglichkeiten besser nutzen und mit dem arbeiten, was wir haben. Ihr Lieben, für die Meisten von uns ist es die erste Diktatur und beim „nächsten Mal“ sind wir eingespielter…denn WIR SIND DAS VOLK!