Sehr geehrte Frau Neubauer,
zunächst beglückwünsche ich Sie zum Erhalt des mit 2500 € dotierten Scholl-Grimminger-Preises der Stadt Crailsheim. Wenn man sich überlegt, dass man mit dem Geld ca. 750 Flaschen Sekundenkleber kaufen kann, ist das schon ein Gewinn für Ihre Bewegung!
Als ich von dieser wundervollen Nachricht hörte, machte ich mich gedanklich sofort an die Arbeit, Ihnen die Möglichkeiten aufzuzeigen, wie Sie möglichst klimafreundlich von Hamburg nach Crailsheim gelangen können. Ich gehe ja davon aus, dass Sie persönlich der Preisverleihung beiwohnen möchten.
Variante Eins: Der PKW
Die durchaus schlechteste Variante klimafreundlich zu reisen. Für Sie als bescheiden aufgewachsene Reemtsma-Erbin ist es natürlich selbstverständlich, sich lediglich in einem Kleinwagen fortzubewegen. Eine Limousine kann für Sie nicht in Frage kommen. Darum verwende ich als Berechnungsgrundlage ein Vehikel der genannten Klasse. Wenn ich an die Bilder aus Lützerath denke, dürfte diese minimale Komfort-Einbuße Ihnen auch keine Sorgen bereiten. Das besagte Fahrzeug würde auf der Strecke einfach 84 kg CO2
in die Umwelt abgeben und bei Hin- und Rückfahrt müssten Sie etwa 0,4 Bäume pflanzen, um Ihre Fahrt auszugleichen. Ein, wie ich finde, für die Umwelt unzumutbarerer Akt. Ich denke, Sie sehen dies ganz genauso. In diesem Fall würde Ihre späteste Abfahrtszeit etwa 5:30 Uhr betragen, wenn wir davon ausgehen, dass Sie ca. 12:00 Uhr Crailsheim erreichen wollen.
Variante Zwei : Das E-Auto
Klimafreundliches Reisen in einem Mittelklasse-PKW mit, aus natürlichen Ressourcen geschöpften, Lithium-Ionen-Akkus. Auf Ihrer Hinfahrt würden Sie so circa 112 kWh Strom benötigen und müssten etwa 2 Ladepausen mit veganen Snacks einplanen. Da es sich teilweise um eine Nachtfahrt handeln würde, könnten wir, wenn wir Solarenergie vernachlässigen, bei entsprechenden Windverhältnissen, Stichwort: Windenergie und Rückenwind, etwa 300g CO2 pro kWh kalkulieren. Ihre Reise würde somit 33,6 kg CO² emittieren. Sie könnten somit sechsmal pendeln, bevor Sie einen Baum setzen müssten, um Ihre CO²-Bilanz auszugleichen. Vorausgesetzt natürlich, wir rechnen den Aufwand beim Bau des E-KFZ nicht mit ein. Mit Ladepausen starten Sie hier gegen 4:00 Uhr.
Variante Drei: Die Bahn
Komfortabel und schnell, außerdem nahezu CO2-neutral, dank Zertifikatkaufs. Das erklärt diese Option vollumfassend. Mit knapp 18 kg Kohlendioxid eine effektive Möglichkeit, Ihre Anreise zu gestalten. Wie Sie leicht errechnen können, dürften Sie über viermal soviel fahren, bevor Sie ein Bäumchen pflanzen müssten. Ihre Reisezeit bei 2 Umstiegen beträgt ca. 6:30 Stunden und Ihre Abfahrtszeit ca. 5:15 Uhr ab Hamburg Hbf, und Sie können sich außerdem sicher sein, dass keine Klimaaktivisten Ihre Anfahrt blockieren. Sollten Sie diese Variante wählen, würde ich Ihnen kostenlos ein Damenrad für den Transfer vom Bahnhof Crailsheim zum Crailsheimer Ratssaal zur Verfügung stellen und Ihnen klimafreundlich begleitend den Weg weisen!
Variante Vier: Fahrrad und zu Fuß
Diese beiden Varianten fasse ich zusammen, denn der CO2-Abdruck entspricht bei beiden genau Ihrem Ziel. Nahezu Null Gramm des offenbar klimaschädlichen Gases wird von Ihnen hier emittiert. Ihre Anreise würde nicht von der Angst vor den mit Schaufeln gebuddelten Wurzellöchern zur Baumpflanzung überschattet. Kleiner Nachteil: Die Reisezeit. Per Pedes sollten Sie Ihre Anreise bereits eine Woche im Voraus beginnen und zu Rade müsste Ihr Start bereits Freitags (mit Schlafpause) erfolgen. Doch seien Sie sich gewiss: Die Signalwirkung für Ihre Bewegung wäre enorm und viele würden Ihrem Bespiel folgen und sich nicht mehr mit dem SUV von Mutti zum FfF-Klimastreik kutschieren lassen. Welch ein Gewinn für die Umwelt!
Die allerletzte Variante:
Eine Variante habe ich noch. Doch selbst beim Schreiben kommt mir schier das Grauen. Es soll Politiker und Prominente geben, die tatsächlich per Privatjet zu solchen Events anreisen. Sie würden beim Flug von Hamburg nach Schwäbisch Hall (nächstgelegener Flugplatz) weit über 3 Tonnen Kohlendioxid in die Umwelt blasen. Denken Sie mal, welchen Hain Sie pflanzen müssten, um all das wieder auszugleichen. So mancher Vorgarten wäre hier in einen dichten Wald verwandelt. Die Transferfahrt brauchen wir hier nicht einmal mehr berücksichtigen.
Resümee:
Ich denke, Sie werden sich, im Sinne Ihrer Bewegung, sicher für die klimafreundlichste Lösung entscheiden. Sie stellen für viele Anhänger ein Vorbild dar und könnten auf diese Weise vermeiden, dass Aktivisten klimaschädlich zu Veranstaltungen aller Art anreisen.
Im Gegensatz zu einigen grünen Politikern werden Sie sicher nicht erst kurz vor Crailsheim vom SUV in ein Elektroauto umsteigen, sondern den Weg wie eine gestandene Frau antreten und auch so Ihrem Image als Trägerin des Scholl-Grimminger-Preises mehr als gerecht werden!
Mit freundlichen Grüßen,
Jens Lebek