Mal ganz ehrlich, wer von Ihnen hat in der Schule schon mal während einer Arbeit abgeschrieben? Stellen Sie sich vor, Ihr Nebensitzer hätte Sie im Anschluss von einem Anwalt schriftlich abmahnen lassen und Sie rückwirkend auf ein Nutzungsentgelt in Höhe von 500 Euro zuzüglich 1000 Euro Anwaltskosten verklagt? Klingt utopisch?
Naja, so weit entfernt sind wir davon leider nicht. Es gibt Anwaltskanzleien, die genau auf solche Dienstleistungen spezialisiert sind. Es scheint inzwischen sogar ein blühender Geschäftszweig, ja, eine ganze Industrie geworden zu sein. Der Klassiker sind Fotos oder Bilder, die zunächst vermeintlich kostenlos zum Download angeboten werden. Tappen Sie in diese Falle und verwenden die Bilder zu kommerziellen Zwecken, schnappt sie zu. Mit Bildersuchmaschinen pflügen sich nun die Kanzleien durch die unendlichen Weiten des Internets und suchen nach ihren zuvor ausgelegten Ködern. Wird das Bild kommerziell in irgendeiner Weise genutzt, folgt ein Brief an den Herausgeber bzw. Seitenbetreiber mit einer Unterlassungserklärung. In der Regel ist diese noch nicht kostenbewehrt, aber wer sich dann in Sicherheit wiegt, erwacht unsanft, wenn der Postbote das zweite Mal klingelt.
Der zweite Akt ist dann der unangenehme Teil der Geschichte. Da man sich mit dem ersten Schreiben natürlich die Schuld eingestanden hat, ist es für den abmahnenden Anwalt ein Leichtes, rückwirkend eine Gebühr für den Künstler und somit Urheber des verbreiteten Materials einzufordern. Ähnlich, als würden Sie schwarzfahren, ist diese um einiges höher als hätten Sie die Nutzung im Vorfeld erfragt. Prinzipiell ist daran auch nichts auszusetzen, nur der eigentliche Vorschlaghammer kommt noch dazu, in Form des Anwaltshonorars.
Dieses richtet sich nun nach einem (fiktiven) Streitwert und wird prozentual errechnet. Da hier Streitwerte im fünfstelligen Bereich entstehen können, sind Honorare im unteren vierstelligen Bereich nicht unüblich. Alles in Allem eine äußerst gewinnbringende Masche, schnell und einfach an Geld zu kommen. Der Aufwand für die Kanzleien ist letztendlich äußerst gering. Pro Fall verschicken nun diese halsabschneiderischen Geldeintreiber im Schnitt zwei bis drei Briefe, haben ein überschaubares Maß an Recherche und können so mittels Abtretungserklärung der Agentur oder des Urhebers einen Fall nach dem anderen kreieren.
All das wäre ja akzeptabel, doch was kommt noch beim Künstler an? Meist ist das nachträglich eingeforderte Entgelt um ein Vielfaches geringer als die Gesamtkosten, die durch den Anwalt entstehen. Da hier meist noch eine weitere Agentur dazwischen sitzt, die auch munter mitverdient, kommt bei dem, der eigentlich daran verdienen sollte, nur noch ein Bruchteil an. Und genau das ist das Problem bei der ganzen Sache.
Laut einer Statistik des Deutschen Patent- und Markenamtes wurden im Jahr 2020 rund 23.000 Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen deutschlandweit verschickt.
Warum beschäftigen wir uns mit diesem Thema? Genau das ist uns leider auch passiert. Zwei Cartoons, die wir in unserer Zeitung verwendeten, um Ihnen allen ein Lächeln auf das Gesicht zu zaubern, haben uns eine schöne Stange Geld gekostet. Da wir als ehrenamtliche Autoren der Redaktion mit unserem Privatkapital haften, trifft uns dies natürlich hart. Aber auf unsere Unterstützer, wie zum Beispiel die Montagsspaziergänger, ist eben Verlass und so konnten wir dieses in Seenot geratene Schiff sicher durch diesen Sturm manövrieren. Was uns nicht umbringt, macht uns nur noch härter und es zeigt sich, wie unzerstörbar unsere Gemeinschaft inzwischen geworden ist.
An dieser Stelle möchten wir von der Klartext-Redaktion allen Unterstützern dafür danken, dass wir auch weiterhin Licht in eine dunkle Welt bringen dürfen und den Konterpart der Mainstreammedienschaffenden drucken dürfen.