Von Schotter und Schwelle – Teil 2

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Eine Serie rund um die Bahn im Ländle

Verspätungen und Co.

Wussten Sie, dass ein Zug, der sich um eine Minute verspätet, einen Zugausfall irgendwo in Deutschland als Folge nach sich ziehen kann?
Ein Rattenschwanz, den bereits eine kleine Störung im Betriebsablauf hinter sich herzieht. Ein Fahrrad, dass beim Verladen mehr Zeit benötigt, die etwas länger währende Verabschiedung, die eine Zugtür am Schließen hindert, aber auch Störungen der Technik an der Strecke und am Zug spielen hier eine große Rolle bei der Pünktlichkeit.
Wie pünktlich ist denn nun eigentlich unsere Bahn? Laut dem Geschäftsbericht 2022 der Deutschen Bahn liegt die Pünktlichkeit im Regionalverkehr bei 91,8 %, im Fernverkehr bei gerade mal 65,2 %, in Summe beim Schienenpersonenverkehr 91,0 %.

Und die Gründe? Auch hier gibt der Geschäftsbericht Aufschluss. Erhöhtes Primärstörgeschehen aufgrund von Überalterung der Anlagen und Folgen des Unfalls in Garmisch-Partenkirchen, umfangreiche Bautätigkeit, hochbelastete Schienenwege, externe Sonderereignisse wie Wetter und Vandalismus, aber auch das 9-Euro-Ticket, dass bekanntermaßen zu überlangen Halten geführt hat. Aber auch mit einem erhöhten Krankenstand seit Corona (oder auch der Corona-Impfung) hat die Deutsche Bahn sowie auch die Privatbahnen zu kämpfen.
Auf den ersten Punkt gehe ich als Techniker gerne etwas näher ein. Sind die Altanlagen nun wirklich schlechter? Zunächst eine kurze Bestandsaufnahme für den Netzbezirk Crailsheim. In Betrieb befindlich sind noch ein mechanisches Stellwerk, sechs Relaisstellwerke, davon 4 ferngesteuert, und ein elektronisches Stellwerk. Worin unterscheiden sich nun die Techniken? Ganz klar am wartungsintensiv-sten ist das mechanische Stellwerk. Es bindet darüber hinaus meist doppelt soviel Personal wie ein Relaisstellwerk. Bei ferngesteuerten Stellwerken steigt die Personaleinsparung dazu noch exponentiell an.

Doch macht es Fahrgästen letztendlich auch die meisten Sorgen? Meiner Erfahrung nach ist das nicht der Fall. Eine Störung kann in dieser Alttechnik relativ schnell lokalisiert und damit behoben werden. Ersatzteile sind oft noch in ausreichender Zahl verfügbar und Teile können oft sogar in Eigenleistung selbst repariert werden. Nicht ganz so gut schneidet die neueste Technik hier ab. Wenn es auch hochmodern erscheint, ist ein Ausfall einiger bestimmter Rechner im elektronischen Stellwerk oft ein kapitaler Schaden. Dies kommt zwar zum Glück selten vor, bedeutet aber dann meist einen Ausfall für mehrere Tage, bis passender Ersatz geliefert wird. Das Relaisstellwerk schwebt hier wohl dazwischen. Die Anlagen sind für geschultes Personal gut durchschaubar und Fehler lassen sich auch hier nicht nur durch Tausch, sondern mittels Kontaktreinigung beheben. Komponenten sind meist in großer Stückzahl schnell zu beschaffen.

Doch für alle Techniken gilt, dass die Außenanlagen meist störanfälliger sind als die Innenanlagen. Sie trotzen Wind und Wetter, sind Bremsstaub und Feuchtigkeit ausgesetzt und trotzdem in einem bemerkenswert guten Zustand. Manche Gartenbeleuchtung würde nach dieser Standzeit nicht einmal mehr existieren.
Im Netzbezirk Crailsheim befindet sich außerdem eine große Anzahl an Bahnübergängen. Jeder davon hat bei Störung massiven Einfluss auf die Pünktlichkeit der Züge. Ist eine Anlage gestört, ist der Lokführer dazu verpflichtet, die Anlage selbst zu sichern. In den meisten Fällen heißt dies vor der Anlage halten, absteigen und die Anlage per Schlüsselschalter einschalten. Danach wieder aufsitzen, hupen, bis zur Mitte der Anlage fahren, wieder hupen, weiterfahren. Ein erheblicher Zeitaufwand, der schnell mal 5 Minuten in Anspruch nehmen kann, von der Geschwindigkeitsreduzierung ganz zu schweigen. Ganz klar stellt hier die Außenanlage einen der Knackpunkte dar.

Aber auch Störungen durch Dritte können hier zu Problemen führen. Leider sehr hoch im Kurs: Der Schrankenbaum. Meistens finden wir diese guten Stücke mit gebrochener Sollbruchstelle vor. Die Schuldfrage ist hier stets eindeutig, doch nur wenige Verkehrssünder verbleiben in diesem Fall an der Unfallstelle.

Ein weiterer Klassiker: Der Schrankenbaumlehner. Einige besonders geschwächte Fußgänger stützen sich nur allzu oft auf den geschlossenen Schrankenbäumen ab. Die Folge: Der Schrankenbaum will öffnen, wird behindert – Störung. Und schon ertönt kurze Zeit später am Bahnsteig die Ansage.
Darüber hinaus sind Personen im Gleis eine sehr häufige Ursache für Verspätungen. So werden oft Gleise in oder außerhalb des Bahnhofs als Übergang benutzt, weil der Weg eben einiges kürzer ist als die zulässigen Wege. Die Folgen sind Notbremsungen oder im schlimmsten Fall ein Personenunfall. Vielleicht lesen Sie diese Zeilen ja gerade, während Sie auf einen verspäteten Zug warten, und ich konnte Sie so in Ihrer Wartezeit ein wenig beschäftigen.

Auf alle Fälle wünsche ich Ihnen allezeit eine gute, verspätungsfreie Reise.