Von Schotter und Schwelle – Teil 1

Zug
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Eine Serie rund um die Bahn im Ländle

Die Privatbahnen

„Die Bundesbahn kommt immer zu spät“ ist ein Satz, den ich mir die letzten Jahre nur allzu oft anhören durfte. Weit über zwanzigtausend Zugkilometer habe ich im Rahmen meiner Ausbildung zum Signalmechaniker schon zurückgelegt, von den Privatfahrten ganz zu schweigen. Dass ich da so manche Verspätung und Ausfälle erleben musste, versteht sich ja von selbst. Die Gelassenheit dabei hat mir aber nie gefehlt. Zum einen liegt dies daran, dass man die Prozesse versteht, wenn man hinter die Kulissen schauen darf, zum anderen ist die Schwelle zum Ärgernis weit höher angelegt, wenn man das Ticket nicht bezahlen muss. Aber zurück zum einleitenden Satz. Viele Fahrgäste haben nach vielen Jahren der Privatisierung noch nicht verstanden, dass es schon lange keine Bundesbahn mehr gibt und obendrein durch die Öffnung des EU-Marktes zunehmend die Nahverkehrsstrecken nicht mehr mit Zügen der Deutschen Bahn AG bedient werden. Seit 2019 fahren auf den Strecken im Netzbezirk Aalen/Crailsheim fünf verschiedene Eisen-bahnverkehrsunternehmen (nachfolgend kurz EVU genannt): DB Regio AG, Go Ahead, SWEG, Westfrankenbahn und DB Fernverkehr AG. Für den Kunden steht als Oberbegriff für all das: „Die Bahn“.

Natürlich ist es hier nicht gewollt, dass der Fahrgast sich damit auseinandersetzen muss, welches Unternehmen ihn nun von A nach B bringt, für die EVUs und auch die Infrastrukturbetreiber aber schon. Zu Zeiten des glorreichen 9-Euro-Tickets habe ich am Bahnhof in Öhringen einen äußerst erzürnten jungen Mann erleben dürfen, der sich bei der Hotline der Deutschen Bahn echauffierte. Seine laut-starke Beschwerde hallte leicht verständlich

über den gesamten Bahnhof. Was er leider nicht auf dem Schirm hatte, war, dass der, die Beschwerde veranlassende, ausgefallene Zug nicht einmal ein DB Fahrzeug, sondern eines der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft mbH war. Dies war dem besagten Reisenden aber völlig egal, verlangte er doch von der durch-aus bemitleidenswerten Dame der DB-Reiseauskunft, gefälligst einen Bus zur Verfügung zu stellen. Es würden ja genügend Busse am Busbahnhof stehen. Oder andernfalls solle man ihm gar die fernschriftliche Zusage zur Kostenübernahme einer Taxifahrt zusenden. Nach dem Motto „Bahn ist Bahn“ wird hier der völlig falsche Adressat gewählt. Natürlich gibt es auch Verspätungen bei den DB-eigenen Fahrzeugen und auch jene, die der Streckentechnik geschuldet sind. Dennoch sollte hier klar kommuniziert werden, wer denn der eigentliche Verursacher der Verspätung ist. Was, außer Ärger, hat uns denn nun die Öffnung der Ausschreibungsprozesse für Fremdunternehmen im ÖPNV gebracht? Man sollte ja meinen, dass Konkurrenz das Geschäft belebt, doch der Flickenteppich an EVU hat alles andere erreicht.

 Als die Strecken noch ausschließlich von einem Eisenbahnverkehrsunternehmen betrieben wurden, konnten Sie sich als Fahrgast noch ziemlich sicher sein, dass der Anschlusszug auf den eintrudelnden Zug mit Verspätung gewartet hätte, waren diese doch stets im engen Austausch mit den Zugdisponenten (Planungspersonal in einer Betriebszentrale zur Regelung der Zugreihenfolge). Heute wartet weder ein „Go Ahead“ auf „DB Regio“, noch umgekehrt. Und so stehen dann verärgerte Voyageure am Bahnsteig und regen sich über „Die Bundesbahn“ auf.

Man könnte argumentieren, die neuen EVU hätten endlich schicke, neue Züge und nicht mehr die alten, gammeligen Silberlinge aus den Sechzigern. Doch die Neuen sind ohnehin vom Land Baden-Württemberg gekauft und an die Ausschreibungsgewinner vermietet worden und werden jetzt auch von der DB Regio gefahren. Aktuell sind die guten alten N-Wägen (im Volksmund Silberlinge genannt) dennoch wieder im Einsatz, sehr zur Verwunderung vieler Passagiere. Unter der Flagge der „TRI“, einem Eisenbahndienstleister, werden die zur Überarbeitung im Depot stehenden, fast neuen Go Ahead-Züge nun teilweise er-setzt. Also ist auch hier wieder ein Zurück-zu-alten-Zeiten erkennbar.

Und nochmals stelle ich mir die Frage, was nun jene Öffnung für Fremdunternehmen im baden-württembergischen Schienennahverkehr gebracht hat. Musste nicht erst kürzlich das „niederländische Bienchen“ Abellio Rail von der landeseigenen SWEG, aufgrund von Insolvenz, übernommen werden? So bringt die sehr verwunderliche Abneigung unseres grünen Verkehrsministers „Winnie“ Hermann gegen das staatseigene Unternehmen nicht das, was eigentlich im Sinne seiner Partei sein sollte: Menschen auf die Schiene zu bringen! Gerade die Zeiten des 9-Euro-Tickets brachten eine schnelle Phase der Ernüchterung. Die viel zu späte Lösung der Ampel, die obendrein nicht für alle attraktiv ist, gab hier vielen potentiellen Bahnreisenden endgültig den Rest und man besann sich vielerorts wieder auf den guten alten PKW.

Ich gehe hier noch einen Schritt weiter und würde von einem, durch grüne Politiker gemachten, Klimawandel sprechen. Man schmeißt hier alle möglichen Steine in den Weg des bahngebundenen Personennahverkehrs. Es bleibt zu hoffen, dass unser grüner Verkehrsminister die Inhalte seiner Partei so-wie die Zukunft unseres Planeten über seine persönliche Abneigung gegenüber der DB stellen kann.