Blinde Flecken    

Bild Pixabay.com

Haben Sie schon mal von sog. „Blinden Flecken“ gehört? Das Wort scheint oberflächlich selbsterklärend zu sein. Das ist halt etwas, was jemand aufgrund seiner Perspektive nicht sehen kann. Das trifft es aber nur zu einem kleinen Teil. Wir reden hier über blinde Flecken im Sinne der Psychologie.

Stellen wir uns vor, dass Menschen, die sich begegnen, vier verschiedene Zustände haben, im Bezug auf die Dinge der eigenen Persönlichkeit, sowie der Persönlichkeit des jeweils anderen.
Aus der Konfiguration, dass mir (oder eben Dir) die Dinge entweder bekannt oder unbekannt sind, ergeben sich vier Möglichkeiten. Das, was wir beide über mich (oder Dich) wissen, ist die Arena, dort gibt es keine Probleme. Das, was wir beide nicht kennen (weder über Dich, noch über mich), ist das große Unbekannte und dort gilt „was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“.
Also bleiben zwei Zustände übrig, die von Interesse sind. Das sind die Fassaden, also die Bereiche, die ich über mich kenne, andere aber vermeintlich nicht. Das sind die Bereiche, in denen Menschen anderen etwas vormachen.
Darüber könnte ich Bücher füllen. Zu guter Letzt sind da die blinden Flecken und das ist der Bereich, den ich von mir selber nicht kenne oder sehe, der aber für andere mehr oder weniger offensichtlich ist und über den will ich ein bisschen erzählen.

Zunächst ist es sehr beruhigend zu wissen, dass alle Menschen (jeder einzelne der 8 Mrd. auf diesem Planeten) eine riesige Menge blinder Flecken hat. Angesichts der Tatsache, dass unser Bewusstsein im Verhältnis zum Unterbewusstsein im Bereich von einigen Millionstel liegt, scheint es ein Segen zu sein, wenn uns andere auf solche blinden Flecken aufmerksam machen, weil wir sie eben überhaupt nur so erfahren können. Da ist der Choleriker, der im Auto sitzt und über all die anderen Autofahrer flucht und schimpft, weil diese so aggressiv sind. Und wenn ihn jemand darauf aufmerksam macht, antwortet er schreiend: „Ich schreie gar nicht!“ Das ist ein blinder Fleck.

In diesen Tagen zeigen sich solche blinden Flecke gehäuft im Zusammenhang mit diesen angeblichen „Anti Rechts“-Demonstrationen. Für Außenstehende nimmt das fast absurde Züge an, wenn sich Betroffene in ihren eigenen Widersprüchlichkeiten verfangen. Und so will ich solche Beispiele nennen und es dem Leser überlassen, ob er es als Realsatire wertet und sich heftig darüber schlapp lacht, oder ob es die Leserinnen und Leser viel mehr als tragischen Ausdruck der Orientierungslosigkeit der Betroffenen nehmen und sich selbst und das eigene Leben daran reflektieren. Hier sind die Beispiele:

Auf einem Foto ist ein Paar zu sehen. Er trägt um den Hals ein Schild mit der Aufschrift „Ganz Deutschland hasst die AfD“ und sie trägt ein Schild mit der Aufschrift „Hass ist keine Meinung“. Besser geht es nicht, blinde Flecken zu veranschaulichen.

Die Linken in diesem Land, die sich als „gute Menschen“ wähnen, versammeln sich hinter Transparenten, auf denen steht „AfDler töten“.
Eine junge Frau glaubt, sie träte in die Fußstapfen einer Sophie Scholl, wenn sie an einem Aufmarsch teilnimmt, organisiert oder zumindest unterstützt von der eigenen Regierung, gegen die parlamentarische Opposition, u.a. mit dem Ziel, diese Opposition zu verbieten. Das ist an Absurdität kaum zu überbieten, aber wie bereits erläutert: So sind eben blinde Flecken.
Da kleben sich selbsternannte Klimafreunde fest, um eine Hauptstraße zu blockieren, und fliegen ein paar Tage später zum Urlaub nach Bali. Sie rechtfertigen das dann damit, dass es ja ein privater Flug war. Wieder ein blinder Fleck.

Was uns all dies auch sagen kann ist, dass wir in dieser Gesellschaft viel weniger politische Probleme haben als psychologische. Nur mag da kaum jemand drüber reden, weil es ja auch ganz brutal den Blick auf die eigene Psyche und Persönlichkeit bedingt und da fürchten viele Menschen nichts mehr, als den Blick in die eigenen Abgründe. Genau das wäre aber der Weg in eine Heilung der Spaltung dieser Gesellschaft.
Wenn wir uns alle offen und authentisch begegnen könnten und uns nicht davon gegenseitig überzeugen wollten, wer jetzt Recht hat oder die bessere Meinung, sondern wenn wir uns ganz entspannt gegenseitig auf unsere blinden Flecken aufmerksam machen könnten, dann hätten wir eine Chance.